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Warum das Generalplanermodell den Klimaschutz niemals priorisieren wird

von W&W-Team
Warum das Generalplanermodell den Klimaschutz niemals priorisieren wird

Auftraggeber erhoffen sich durch Beauftragung eines Generalplaners weniger Aufwand im Bauprozess und im besten Fall eine Kostenersparnis durch die Auslagerung der Koordination der Fachplaner. Jedoch liegt im Vergabeprozess der Fokus primär auf der Qualität des Architekten, der als Generalplaner agieren soll, wodurch der Klimaschutz als Ziel aus diversen Gründen nicht nachhaltig erreicht werden kann.

Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Nach diesem Motto erfreut sich vor allem bei Kommunen und Städten das Generalplanermodell steigender Beliebtheit. Aus Bauherrensicht ist dies zunächst verständlich, denn statt sich mit mehreren Vertragsparteien und Ansprechpartnern herum schlagen zu müssen, hat man einen zentralen Ansprechpartner. Dieser schuldet die gesamte Leistung und muss in seinem Fachplanerteam die Koordination der Leistungen übernehmen.

Klassischerweise treten Architekten als Generalplaner auf bzw. werden direkt von Bauherren angesprochen, als Generalplaner zu agieren. Dies liegt auch in der Historie der Architekten begründet, die in früheren Epochen noch Baumeister hießen und alle Gewerke abdeckten. Bedingt durch den technischen Fortschritt der Industrialisierung stieg die Komplexität der am Bau beteiligten Disziplinen jedoch stark an, wodurch im Laufe der Zeit immer mehr Fachingenieure (Statiker, Brandschützer, Bauphysiker, Versorgungstechniker, Landschaftsarchitekten, etc.) die Einzeldisziplinen übernahmen.

Da der Architekt jedoch weiterhin die Koordination der Gewerke innehat ist er derjenige, der meist die Funktion als Generalplaner übernimmt bzw. übernehmen muss, um den Auftrag überhaupt erhalten zu können.

Die Hierarchie der Planer

Auf Grund der Historie des Architekten, seiner Koordinationsfunktion und vor allem, da er die visuelle Wahrnehmung des Baukörpers prägt, wird der Architekt oft als wichtigster oder gar einziger Planer wahrgenommen. Eine gewisse Wichtigkeit wird noch dem Statiker und dem TGA-Planer beigemessen, damit der Bau stehen bleibt und fließend Wasser hat. Die wachsende Bedeutung der Haustechnik wird zumindest bedingt durch die steigenden Kosten über die letzten drei Jahrzehnte wahrgenommen. Jedoch ist diese im Gegensatz zur Architektur nicht sichtbar, so dass auch diese Gewerke nicht an die des Architekten heranreichen. Am Ende der Wahrnehmung kommen dann Brandschützer Landschaftsarchitekten, Schallschützer und Wärmeschützer, deren Nichtvorhandensein auf Bauherrenseite zum Teil nicht auffallen würde.

Der Stellenwert der Planer gemessen am Honorar

Je nach Größe des Bauvorhabens, der angesetzten Honorarzone und Komplexität des Bauvorhabens erhält der Architekt zwischen 50% und 70% des Generalplanerhonorars, der Rest verteilt sich auf die übrigen Fachingenieure. Dies stärkt somit die Wahrnehmung, dass der Architekt der wichtigste Planer und somit tonangebend ist. Während die Versorgungstechniker eventuell ein Viertel der Honorare beanspruchen, werden die Honorare der anderen Fachplaner danach immer geringer – der Wärmeschutz hat am Ende deutlich weniger als ein Prozent des Gesamtplanerhonorars.

Wie Klimaschutz in die Planung integriert wird

Während Begriffe wie Energiewende, Klimaschutz oder Cradle-to-Cradle im Bauwesen ins Standardvokabular übergegangen sind, ist den meisten Beteiligten jedoch oft nicht klar, wie Nachhaltigkeit in eine Planung integriert werden kann. Konkret wäre der erste Schritt am Anfang eines Projekts ein Energiekonzept zu erstellen, welches klassisch eine Kombination der Disziplinen Wärmeschutz und Technische Gebäudeausrüstung darstellt. Hierzu muss ein interdisziplinäres Team der beiden Fachrichtungen mit genügend Expertise und Blick über den Tellerrand des jeweils anderen Gewerkes ein Gesamtkonzept erarbeiten. Dieses stellt im radikalsten Fall die Architektur aus energetischer Sicht auf den Prüfstand, legt jedoch im Mindesten frühzeitig grundlegende Parameter des Wärmeschutzes und Gebäudetechnik fest, welche dann von der Architektur von Anfang an Beachtung finden sollten.

Kurzum: statt einer additiven Planung, in der jeder Nacheinander seine Leistung aufeinander setzt und die vorgegebenen Parameter optimiert, sollte eine integrale Planung stattfinden, bei der sich die Gewerke frühzeitig zu einem nachhaltigen und durchdachten Gesamtkonzept zusammenfinden.

Wie in der Praxis Klimaschutz stattfindet

Am Ende zählen Kosten, und jeder nicht ausgegebene Euro ist bereits gespart. Nach dieser Maxime wird meist kein Energiekonzept gewünscht, um Planungskosten zu sparen oder nur widerwillig zu einem gerade kostendeckenden Honorar beauftragt. Bei Nichtbeauftragung hofft der Bauherr in der Regel, dass der Wärmeschutz und die Gebäudetechnik ohne nähere Betrachtung ja trotzdem die beste Kombination auswählen.

Wenn man bedenkt, dass der Wärmeschutz häufig vom Statiker „mitgemacht“ wird zu Preisen, zu denen eine eigene Bauphysikabteilung gar nicht wirtschaftlich arbeiten kann, reduziert sich diese Hoffnung bereits signifikant. Des Weiteren wird von Seite des Bauherren und/oder des Architekten der TGA-Planer erst eingebunden, nachdem bereits grundlegende Entscheidungen der Architektur und des Wärmeschutzes getroffen wurden. Dann soll der Haustechniker aus diesen Gegebenheiten die Ziele erreichen, wobei in diesem Korsett die beste Gesamtlösung potenziell gar nicht mehr erreicht werden kann.

Eine durchaus übliche Variante spielt sich bereits in Vergabeverfahren ab, in denen bereits ein Konzept zum Klimaschutz abgefragt wird. Hierdurch wälzt der Auslober die Kosten für ein Energiekonzept auf die Planer ab, welche diese als Akquisitionskosten verbuchen müssen. Jedoch muss man hier realistisch sehen, dass zu diesem Zeitpunkt ein solches Konzept nie vollständig ist bzw. sich bis zum tatsächlichen Projektstart Anforderungen konkretisieren oder neu ergeben, die bei genauerer Ausarbeitung zu anderen Ergebnissen führen würden. Da aber aus Bauherrensicht keine weiteren Ausgaben notwendig erscheinen, kommt in diesem Szenario eine belastbare, nachhaltige Planung erneut zu kurz.

Woran das Generalplanermodell scheitert

All diese Umstände führen dazu, dass im Generalplanermodell Wert auf eine Gesamtleistung aus einer Hand gelegt wird, bei der jedoch anhand der Qualität des Architekten Aufträge erteilt werden, statt die Gesamtkonzeption in den Vordergrund zu stellen und zum Beispiel auch den Klimaschutz als ein zentrales Entscheidungskriterium zu definieren. Somit entscheidet der Architekt zwar für sich intern, ob er aus Sicht der Energieeffizienz ein gutes Fachplanerteam zusammenstellt, für die Entscheidung des Bauherren fällt dies jedoch nicht weiter ins Gewicht. Wenn überhaupt nimmt der Bauherr das nachhaltig planende Team wohlwollend zur Kenntnis, ist häufig jedoch nicht bereit, eine gesonderte Energieplanung zu beauftragen bzw. ein Energiekonzept gesondert zu bezahlen.

Die Energieplanung ist eine vergleichsweise neue Methode zur Optimierung von Gebäuden. Im Wesentlichen folgt der neue Planungsprozess dem Grundsatz form follows function. Als Weiterentwicklung der integralen Planung schließt sie diese mit ein. Optimierung kann verschiedene Ziele verfolgen – das Raumprogramm, die Baukosten, die Gestaltung, die energetische Performance und im besten Fall alles zusammen. Bauen oder Sanieren ist immer und grundsätzlich multiplen Zielen verhaftet. Das Thema Energie, als messbare und relativ genau quantifizierbare Größe für Qualität bietet sich hier jedoch als eine Leitlinie an.
Seit spätestens 1995, also mit Beginn der Änderung der Wärmeschutzverordnung, nimmt die Bedeutung des Wärmeschutzes in der Gebäudeplanung zu. Seit 1995 floss neben der Dämmung von Gebäuden auch die Energiebilanz in den Wärmeschutz ein. Solare Gewinne durch die Fenster und die inneren Gewinne durch die Nutzung des Gebäudes wurden nun ebenso berücksichtigt wie die Wärmeverluste der Gebäudehülle. Durch die erneute Novellierung des Wärmeschutzes kam 2002 die Gebäudetechnik hinzu, als deren Bedeutung für den Energieverbrauch erkannt worden war.
Die Planungskultur hat sich seitdem jedoch nur marginal verändert. Der Architekt entwirft das Gebäude, unterstützt vom Statiker, der oft auch die Wärmeschutzberechnungen übernimmt. Die Gestaltung der technischen Ausstattung kommt meist vom Haustechniker, dem der Statiker die Dämmwerte für die Heizungsplanung liefert. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch in vielen Fällen eine sinnvolle Optimierung des Energieverbrauchs kaum noch möglich. Diese Problemstellung ist Grund genug, den Planungsprozess einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Additive Optimierung

Die Planungskultur für alle Gebäudetypen des Hochbaus baut im Prinzip auf den Säulen Städtebau, Landschaftsplanung, Architektur, Statik und der Haustechnik auf. Der Architekt war und ist fast immer der erste Ansprechpartner und häufig der „Motor“ des Projekts. Er entwickelt nach den Vorstellungen und Wünschen des Bauherrn ein gestalterisches Konzept. Ist dieser einverstanden, wird unterschwellig ein Meilenstein gesetzt: Ab jetzt wird dieser Entwurf weiterverfolgt, ab jetzt beginnt gegebenenfalls die integrale Planung – aber der Entwurf bleibt unangetastet.
Eine energetische Optimierung beginnt in den meisten Fällen erst jetzt, wird auf den Entwurf appliziert. In der Regel entsteht der Entwurf ohne Einbeziehung eines Energiesachverständigen. Energetisches Entwerfen – also Entwerfen unter Berücksichtigung der energetischen Grundlagen – ist aber notwendig, weil in der Entwurfsphase die Weichen in Sachen Energie und Baukosten bereits gestellt werden. Diese Notwendigkeit wird in der Regel heute immer noch nicht erkannt. Der Optimierungsprozess beginnt häufig leider erst zu einem Zeitpunkt, an dem das größte Potential bereits vergeben ist.
In der bisherigen Planungskultur war immer der Architektenentwurf entscheidend für die Entwicklung der Baukosten. Viele, oft erst in einer späteren Planungsphase entstehende Aufwendungen, z. B. für Haustechnik, sind jedoch entwurfsbedingt, obwohl sie zum Zeitpunkt der Entwurfserstellung für den Architekten noch gar nicht erkennbar waren. Das führt oft genug zu kostenbedingten Kompromissen, die weder Bauherrn noch Architekten zufriedenstellen. Die Einbeziehung eines Energieplaners bereits in der Entwurfsphase verhindert solche Mehrkosten, weil frühzeitig Defizite aufgezeigt und Vorschläge zur Optimierung gemacht werden können. Denn die Baukosten für energieeffiziente Gebäude müssen nicht höher sein als für konventionelles Gebäude.

Eine mögliche Abhilfe verspricht der integrale Planungsansatz. Integral Planen meint die frühe Einbeziehung aller Planungsbeteiligten und die gleichzeitige und ganzheitliche Bearbeitung der Planungsaufgabe. Genau hier hakt es aber noch in der Praxis, wenn trotz gemeinsamer Planungsprozesse die gewohnten Entscheidungsstrukturen beibehalten werden. Gemeinsam planen heißt nämlich auch, gemeinsam entscheiden.

Energieverbrauch ist planbar

Entwerfen ohne parallele Energieplanung ist heute nicht mehr zeitgemäß. Die Energieplanung, wie sie von Büros wie Wortmann & Wember betrieben wird, stellt ein selbstständiges Gewerk in der Planungskultur dar. Der Energieplaner unterstützt alle Gewerke, indem er das zukünftige Gebäude durch die „energetische Brille“ sieht. Er berät den Architekten schon im Vorentwurf, indem erste Wärmeschutzberechnungen den Entwurfsprozess flankieren. Diese werden immer mehr verfeinert, bis das Gebäude fertig ist. Parallel können Simulationsrechnungen integriert werden, um Kühllasten zu minimieren oder Tageslichtkonzepte zu entwickeln. Das senkt nicht nur die Energie­, sondern meist auch die Investitionskosten. Vor allem aber wird die Behaglichkeit optimiert. So wird Qualität planbar.
Nicht nur der Architekt profitiert durch den Spezialisten, auch der Haustechniker. Der Energieplaner wägt aus allen Möglichkeiten der Wärme­ und Kälteversorgung in Abhängigkeit variierender Wärmeschutzkonzepte sinnvolle Varianten gegeneinander ab. Er bewertet die technischen Möglichkeiten hinsichtlich der Investitions­ und der Betriebskosten, bezieht Förderprogramme ein und untersucht ökologische Aspekte. Das Ergebnis der Energieplanung ist eine rundum mit dem Architekten und Statiker abgestimmte, optimierte Lösung als Konzept mit einer klar formulierten Planungsaufgabe an den Haustechniker.

Energieplanung in Bauprozess und Betrieb

Neben dem Hauptmoderator, dem Architekten, übernimmt der Energieplaner im Zuge der weiteren Planung parallel die Aufgabe des Energiemoderators. Welche Auswirkung hat der Stromverbrauch eines Lüftungsgeräts auf das Gesamtkonzept? Wie kann das Konzept optimiert werden? Passt das noch in den Gestaltungsrahmen? Bis zur Fertigstellung ist das energetische Konzept aus dem Vorentwurf durch viele Faktoren gefährdet. Sämtliche Planungen werden daher vom Energieplaner auf den Aspekt der Energieeffizienz hin geprüft und falls notwendig, angepasst.

Während der Bauphase fungiert der Energieplaner als Sachverständiger. Der Gesetzgeber fordert seit 1996 stichprobenhafte Kontrollen für den Wärmeschutz auf der Baustelle. Auch eine Kontrolle der technischen Anlagen unter dem Aspekt der Energieeffizienz ist sinnvoll. Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme beginnt mit dem Monitoring eine weitere Leistung des Energieplaners. Passt der Energieverbrauch mit den Hochrechnungen nach der Wärmeschutzverordnung überein oder gibt es Abweichungen? Worin liegt die Ursache für Abweichungen? Ist eine Anlage optimal eingeregelt oder eine gezielte Einweisung der Nutzer notwendig? Erst durch eine kritische Analyse der Soll-/Ist-Situation und, falls notwendig, Optimierung der Ergebnisse können gesetzte Ziele nachhaltig erreicht werden.

Ein weiterer erschwerender Faktor ist das mangelnde Gesamtverständnis für die Zusammenhänge und Auswirkungen von Entscheidungen auf die Energieeffizienz zum einen auf Seite des Architekten, zum anderen auf Seite des Bauherren bzw. des Projektsteuerers als Bauherrenvertreter. Bedingt dadurch werden selbst bei Beauftragung eines Energiekonzepts einzelne Aspekte potenziell durch den Generalplaner umgeworfen, da Sie der Architektur „im Weg stehen“. Falls dies nicht der Fall ist, werden spätestens bei Kosteneinsparungsversuchen auf Bauherrenseite einzelne, bereits getroffene, Entscheidungen doch nicht umgesetzt, ohne deren Auswirkungen auf das energetische Gesamtkonzept zu verstehen.

Fazit

Um Klimaschutz zu priorisieren ist das Generalplanermodell nicht geeignet, da die ohnehin schon dominante Stellung des Architekten dadurch weiter gestärkt wird. Und dass, obwohl dieser die gesteckten Ziele nicht alleine erreichen kann, was er in der Regel auch weiß, aber verständlicherweise nicht nach Außen kehrt.

Stattdessen wäre es sinnvoll – falls man am Generalplanermodell festhalten will – die Klimaschutzziele vorab als Entscheidungsgrundlage bei der Vergabe zu berücksichtigen und eine integrale Energieplanung zum Projektstart vorzusehen. Durch diese frühzeitige Zielsetzung kann eine nachhaltige Zielerreichung überhaupt erst sichergestellt werden. Jedoch bedeutet dies für die Bauherrenseite konkret, Geld in die Hand zu nehmen und diese Leistung zu beauftragen. Gerade bei öffentlichen Auftraggebern bleibt es ansonsten nur bei den Lippenbekenntnissen der Politiker, die sich Klimaschutzziele auf die Fahnen schreiben, jedoch für die konkrete Umsetzung keine Mittel bereitstellen wollen. Dies wiederum führt zu Planungsbesprechungen, bei denen von den Planern Ergebnisse erwartet werden, die entweder auf Kosten der Planungsbüros geleistet werden sollen oder wirtschaftlich nur mit einer Glaskugel zu ermitteln sind. In letzterem Fall steht dann die energetische Zukunft tatsächlich in den Sternen.